transcriptiones – die Onlineplattform für Transkriptionen

Yvonne Fuchs

 

Screenshot von der Startseite von transcriptiones.ch. Aufgeklappte alte handgeschriebene Bücher in alten Schriften.
Abb. 1: Landingpage transcriptiones. Archivalien: Staatsarchiv Basel-Stadt, Spital F5 / PA 572a A I / Spital Urk. 403. Link: https://transcriptiones.ch (Foto: Dominic Weber und Yvonne Fuchs; Lizenz: keine/gemeinfrei)

An Schriften schuften

Wer die Vergangenheit untersucht, begegnet oftmals handschriftlichen Quellen. Notwendigerweise sind Transkriptionen anzufertigen, die unerlässliche Forschungsrohdaten darstellen. Seien es mittelalterliche Urkunden oder ein Briefwechsel aus jüngerer Zeit: Sowohl deren Lektüre als auch Transkriptionen sind enorm zeitaufwendig. Nichtsdestotrotz werden Transkriptionen selten publiziert und bleiben der Öffentlichkeit vorenthalten. Zwangsläufig werden deshalb dieselben handschriftlichen Quellen mit hohem Aufwand wiederholt transkribiert – Arbeitszeit, die an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden könnte.

 

 

Foto eines alten Briefes in deutscher Kurrentschrift
Abb. 2: Ausschnitt des Briefs von Theodor Schiemann an Edith Rintelen vom 22. Mai 1901. Universitätsbibliothek Basel, NL 325 : A 79,1-33. Digitalisat: https://doi.org/10.7891/e-manuscripta-21779 (Lizenz: Public Domain Mark)

 

 

«The Programming Historian»[1]

Mit www.transcriptiones.ch haben wir eine Plattform geschaffen, auf der Transkriptionen von Forschenden, Studierenden und Citizen Scientists online gesammelt und der Öffentlichkeit niederschwellig zur Verfügung gestellt werden. Wie die nachfolgend umrissene Entstehung von transcriptiones zeigt, ist es manchmal nötig, sich in neue (technische) Gefilde zu wagen, um dann interdisziplinär Lösungen zu finden. Gleichzeitig ist es zentral, Studierenden und Doktorierenden eine Umgebung zu bieten, in der sie ihre Ideen verfolgen können.

Die Projektidee entstand 2019, als ich anlässlich von Recherchen für eine Seminararbeit im Fachbereich Geschichte feststellen musste, dass die untersuchten Quellen wohl bereits transkribiert wurden, jedoch der Zugriff auf die Transkriptionen nicht möglich war. Eine Plattform für den Austausch von Transkriptionen zu schaffen, schien mir überfällig. Gemeinsam mit Dominic Weber folgten zahlreiche Brainstorming-Stunden, um von dieser abstrakten Idee zu einer möglichen Umsetzung zu gelangen. Als damalige Masterstudierende hielten wir es für ein ziemlich kühnes Unterfangen, eine solche Plattform entwickeln zu wollen. Doch bereits 2020 konnten wir, während eines halbjährigen Innovator Fellowships am ETH Library Lab, einen Prototyp von transcriptiones erstellen. Die ursprünglichen Umsetzungspläne wurden währenddessen mehrfach revidiert, angepasst und geschärft. Eine “Via Regia” zur Realisierung des Projekts gab es nicht. Für Dominic Weber und mich galt es, etliche konzeptionelle, rechtliche und technische Faktoren zu bedenken und uns zahlreiche neue Fähigkeiten – insbesondere Programmierkenntnisse – anzueignen. Dank der grosszügigen Unterstützung des Fonds zur Förderung von Lehre und Forschung der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft Basel (FAG) und der Max-Geldner-Stiftung sowie durch die Anbindung des Projekts an den Lehrstuhl von Prof. Dr. Lucas Burkart (Universität Basel) konnte transcriptiones ausgebaut und schliesslich gelauncht werden. Aktuell sind rund 850 Transkriptionen verfügbar.

Geteilt und gefunden

Im Stil von Wikipedia nutzt transcriptiones das kollaborative Wissen Vieler («crowd knowledge»), stärkt die Vernetzung der Community jenseits institutioneller Schranken und spricht Beitragende ebenso an wie Betrachtende. Die User*innen teilen ihre aufwändig erstellten Transkriptionen mit anderen Interessierten und finden im Gegenzug für ihre Vorhaben relevante transkribierte Bestände. Die Transkriptionen sind dabei nicht an vorgegebene Digitalisate gebunden, sondern Produkte des individuellen historischen Erkenntnisinteresses.

Auf transcriptiones sind alle Transkriptionen erwünscht, auch wenn nur ein Ausschnitt einer Quelle bearbeitet wurde oder nur eine Rohfassung besteht. Schliesslich will transcriptiones sämtliche Transkriptionsarbeit zugänglich und nutzbar machen.

Die Transkriptionen können später eigens oder durch andere Nutzer*innen überarbeitet und ergänzt werden, wobei die URL jeder Version konstant und somit zitierbar bleibt. transcriptiones ermöglicht daher auch kollaboratives Arbeiten, etwa im Rahmen von universitären Veranstaltungen.

Wenn sich ein*e User*in für die Transkriptionen bestimmter Signaturen, Gedächtnisinstitutionen oder Nutzer:innen interessiert, können jeweilige Benachrichtigungsabonnemente eingerichtet werden, die über den Zuwachs an oder die Überarbeitung von entsprechenden Transkriptionen informieren. Überdies besteht die Möglichkeit, mit den Beitragenden in Kontakt zu treten, um sich über die Quelle, die Handschrift oder wissenschaftliche Erkenntnisse auszutauschen.

 

 

Screenshot von transcriptiones.ch, Detailaufnahme eines Dokumentes mit verschiedenen Feldern, die das Dokument beschreiben.
Abb. 3: Kleiner Ausschnitt der Dokumentenansicht auf transcriptiones. Gegenstand: Brief von Theodor Schiemann an Edith Rintelen vom 22. Mai 1901. Archivale: Universitätsbiblio-thek Basel, NL 325 : A 79,1-33. Link: https://transcriptiones.ch/display/institutions/universitatsbibliothek-basel/ubh-nl-325-a-791-33-33-briefe-an-edith-rintelen/brief-vom-22-mai-1901/ (Foto: Yvonne Fuchs; Lizenz: keine/gemeinfrei)

 

Du hast auch Transkriptionen erstellt und möchtest diese teilen? Du suchst bereits transkribiertes Material? Mach mit und hilf uns, mehrfach geleistete Transkriptionsarbeit zu verhindern. Wir freuen uns auf Transkriptionen jeglicher Art!

 


 

[1] Vgl. die gleichnamige Plattform, die Tutorials für verschiedenste digitale Tools und Techniken zur Verfügung stellt: The Programming Historian, 11.11.2022, <https://programminghistorian.org/en/>, Stand: 13.11.2022.